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26.03.2018

Pressemeldung: Statistische Nebenwirkungen

Nationales Waffenregister kämpft mit Altlasten

Marburg, 26.03.2018 „24.500 Schusswaffen sind als gestohlen gemeldet“ – diese Nachricht konnte in der vergangenen Woche zahlreich in den Medien vernommen werden. Dass diese hohe Anzahl nicht binnen Jahresfrist sondern innerhalb von über 40 Jahren entstand, wurde jedoch nicht erklärt. Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler bringt Licht ins Dunkle.

Zahlreiche Pressemeldungen in der vergangenen Woche ließen vermuten, dass rund 24.500 registrierte Schusswaffen plötzlich nicht mehr auffindbar seien, weil sie polizeilich als gestohlen oder abhandengekommen gemeldet worden sind. Dies gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Grünen/B’90 hervor. Entsprechend hoch war auch die Zahl der Nachfragen beim Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) in Marburg.
 
Die Auskunft der Bundesregierung auf Punkt 6 der Kleinen Anfrage 19/335 scheint in der Tat ohne Hintergrundwissen missverständlich, aber auch angesichts der recht knappen Fragestellung der Grünen: „Wie viele Waffen waren jeweils zum Stichtag 31. Januar 2017 und 31. Januar 2018 im NWR als „gestohlen“ oder als „abhandengekommen“ gespeichert?“

Die Antwort: „Zum Stichtag 31. Januar 2017 waren 4.476 Waffen als gestohlen und 16.226 Waffen als abhandengekommen gemeldet. Zum Stichtag 31. Januar 2018 waren 5.249 Waffen als gestohlen und 19.282 Waffen als abhandengekommen gemeldet.“

Auch Irene Mihalic, selbst Polizistin, in der Grünen-Bundestagsfraktion für Innenpolitik zuständig und Mitautorin der Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, titelte eine entsprechende Meldung auf ihrer Website mit „24.531 Waffen als verloren oder gestohlen registriert“ und ließ sich zudem zitieren: "Da stellt sich schon die Frage, in welchen dunklen Kanälen diese Waffen landen und welche Straftaten damit noch begangen werden."
Bei den von der Bundesregierung korrekt genannten Angaben handelt es sich allerdings nicht um absolute Zahlen pro Jahr, sondern um den jeweils aktuellen Datenbestand.

Das 2013 eingeführte Nationale Waffenregister (NWR), dessen Erfassungsphase erst Ende 2017 abgeschlossen wurde, ist die erste bundesweite Statistik zum legalen Waffenbesitz scharfer Schusswaffen.  Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) berichtete zu diesem Zeitpunkt, dass jedoch bereits die Daten der über 500 Waffenbehörden fehlerhaft waren und bei der Übertragung der Daten in das NWR noch weitere Fehler hinzukamen.
Diese fehlerhaften Daten sollten bis Ende 2017 im Register bereinigt werden. Die Gesamtzahl der fast 25.000 „verschwundenen“ Schusswaffen beinhaltet somit auch solche, die bereits 1976 gestohlen (und polizeilich bearbeitet) wurden, deren Verlust aber erst 2017 elektronisch im Register umgesetzt wurde, und solche, die vor Jahrzehnten verschrottet wurden, sich aber noch im Register befanden, sowie ordnungsgemäße Veräußerungen, die im NWR nicht erfasst waren. Diese „Inventarverluste“ machen den Großteil der „verschwundenen“ Waffen aus.

VDB-Geschäftsführer Ingo Meinhard erläuterte dies am vergangenen Freitag gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk: „Da die Behörden bis Ende letzten Jahres Zeit hatten, kommen diese massiven Zahlen zu Stande, die aber in einem Zeitraum von 1976 bis 2017 entstanden sind und erst heute IT-technisch umgesetzt wurden.“
Johannes Dimroth, der Sprecher des Bundesinnenministeriums, bestätigte in der gleichen Sendung von MDR AKTUELL, dass die angeblich so hohe Zahl nicht aussagekräftig sei. Das Problem sei, "dass sich aus dieser Zahl mitnichten eine tatsächliche Entwicklung – also eine Zunahme – der Zahl von Waffen oder Waffenteilen, die gestohlen oder abhandengekommen sind, ablesen lässt. Sondern die Entwicklung der Zahlen ist letztlich ausschließlich zurückzuführen auf einen statistischen Effekt."

Statt einer Zunahme beim Schusswaffendiebstahl verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) einen erfolgreichen Rückgang um über 50%  -  und das in allen Bereichen.
Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2016
Die PKS erfasst sämtliche Diebstähle von Schusswaffen, auch die bei Behörden, Militär und Besitzern von erlaubnisfreien Waffen. Seit 1987 (1666 Fälle) reduzierten sich die Diebstahlsfälle stetig um mehr als die Hälfte auf 767 Fälle im Jahr 2016. Aus den früheren Bundeslagebildern zur Waffenkriminalität ist zudem bekannt, dass im Schnitt nur 15% der Diebstähle von Schusswaffen den legalen Besitz der Jäger, Sportschützen und Waffensammler betreffen – auch zu Zeiten, wo ein Tresor noch nicht zur Aufbewahrungsauflage gehörte.
Von dringendem Handlungsbedarf für den Bundesinnenminister nach den ohnehin erst im letzten Jahr wieder verschärften Aufbewahrungsrichtlinien, wie ihn die Grünen jetzt sehen, kann daher keine Rede sein. Auch die Angst, dass zu viele vormals legale Waffen in „dunkle Kanäle“ abwandern, ist unbegründet. Diese Kanäle bedienen sich seit Jahrzehnten aus dem Waffenschmuggel und der illegalen Herstellung/Bearbeitung, oftmals in Verbindung mit der organisierten Kriminalität, insbesondere aus dem Balkan.