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27.03.2024

OVG-Münster-Urteil und (k)ein Ende?

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2023 verunsichert Waffenbesitzer und Behörden

Seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2023 (AZ: 20 A 2384/20) kursieren Mitteilungen von Behörden, die viele Waffenbesitzer verunsichern. Allerdings reagieren die Bundesländer sehr unterschiedlich. In Bayern teilt uns das zuständige Innenministerium mit: „Vor dem Hintergrund der auch nach der Entscheidung des OVG Münster unklaren Rechtslage und der Tatsache, dass es in Bayern bereits strenge Vollzugsempfehlungen gibt, die sich bewährt haben, bleiben die weiteren Diskussionen zwischen Bund und Ländern abzuwarten. Aus bayerischer Sicht sollte möglichst eine bundeseinheitliche Lösung angestrebt werden. Einstweilen wird deshalb kein Anpassungsbedarf an der in Bayern etablierten Verwaltungs- und Vollzugspraxis gesehen.“
Thüringen sieht das ähnlich: „Bis zu einer bundeseinheitlichen Vorgabe sind die vom OVG Münster (Urteil vom 30. August 2023 - 20 A 2384/20) beschriebenen Vorgaben für die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln in der Thüringer Verwaltungspraxis nicht anzuwenden. Weder das WaffG noch die AWaffV noch die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften enthalten entsprechende Vorgaben.“ (zitiert nach: Jägerschaft Erfurt e. V.)

Ganz anders in NRW. Dort haben sich mehrere Landkreise mit Schreiben an ihre „Kunden“, also an Jäger und Schützen gewandt, die dem Wortlaut des OVG-Urteils folgen. So heißt es beispielsweise in einem Brief der Kreispolizei Viersen: „Erforderlich ist daher grundsätzlich, den Schlüssel zu einem Waffenschrank mit Schlüsselschloss in einem weiteren Waffenschrank derselben oder höheren Sicherheitsstufe mit einem mnemonischen oder biometrischen Verschlusssystem (also bspw. Zahlenschloss oder Fingerabdruck-Scan) zu verwahren.“
Zu Deutsch: Der Schlüssel zum Waffenschrank muss in einem Behältnis aufbewahrt werden, das den gleichen Sicherheitsanforderungen entspricht wie der Waffenschrank.
Diese Vorschrift steht nicht im Gesetz und auch nicht in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften.

So gut wie alle Verbände, ihre Rechtsberater und die meisten Innenministerien sind sich einig, dass solche Vorschriften völlig übertrieben und unnötig sind. Nach Auffassung des Deutschen Jagdrechtstags (siehe seine Empfehlungen 2023) überschreitet das Urteil des OVG Münster „die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung“ und findet „im geltenden Recht keine Grundlage.“

Bei der Erklärung des OVG Münster zur Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln handelt es sich um eine ungefragt geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts, die nichts zum Kern des Verfahrens beiträgt. „Wenn nun Verwaltungsbehörden dieses Obiter dictum, also das vom Gericht nebenbei Gesagte, als Rechtssetzung begreifen, so sind sie nicht nur auf dem falschen Weg, sondern handeln schlichtweg rechtswidrig“, erklärt Rechtsanwalt Christian Teppe, VDB-Justiziar.

Doch den betroffenen Waffenbesitzern aus NRW ist damit nicht geholfen, denn sie wollen und brauchen keinen Ärger mit ihren Behörden. Darum raten wir allen, sich strikt an die Anordnungen ihrer Behörde zu halten. Der VDB pocht darauf, dass es in diesem Punkt endlich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gibt. Wir suchen das Gespräch (und haben es zum Teil bereits gefunden: mit Verantwortlichen aus Niedersachsen und aus Rheinland-Pfalz gab es bereits Gespräche) mit allen Bundesländern und berichten über den Fortgang und die Ergebnisse.


Eine ausführliche Ausarbeitung der aktuellen Rechtsprechung sowie unsere Positionen dazu finden Sie hier:  
Hinweis Obiter dictum:
Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung folgt, dass Rechtslücken durch Gerichte geschlossen werden können. Dazu müssen jedoch ersten solche Rechtslücke überhaupt bestehen und zweitens muss das Gericht zu dieser Rechtsfrage angerufen worden sein, d.h. dass zwei Parteien über eine Rechtslücke in einen Streit geraten sind, die das Gericht auflöst. Die judikative Gewalt kann also sich nicht einfach Rechtsfragen, die nicht Kern des Verfahrens sind, beantworten und damit in die Gesetzgebungskompetenz der Legislative eingreifen. Derartige Beschlüsse äußern zwar die Rechtsauffassung des Gerichtes, setzen allerdings kein Recht. Diese neben der eigentlich zu klärenden Frage erwähnte Rechtsauffassung ist damit ein rechtliches Nullum, also erst einmal gar nichts. Allerdings kann sie in späteren Entscheidungen mit ähnlicher Rechtslage eine Rolle spielen. Im vorliegenden Fall war die Aufbewahrung des Schlüssels nicht das Streitthema, also auch nicht die zu klärende Frage. Daher ist es rechtsmissbräuchlich, wenn eine solche Rechtsprechung als Rechtsgrundlage verwendet wird. Dieses Urteil kann jedoch in einem Streitfall, in dem es explizit um die Aufbewahrung des Schlüssels geht, herangezogen werden und das Urteil damit beeinflussen.